In den letzten 40 Jahren hat die Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas weltweit deutlich zugenommen. Sie sind typische Begleiterscheinungen von Wohlstandsgesellschaften.

In Deutschland beträgt der Anteil der Bevölkerung mit Adipositas ca. 16 Prozent. Bereits in den Schulen ist der Anteil übergewichtiger und adipöser Kinder erschreckend hoch und tendenziell steigend. Man beobachtet eine deutlich höhere Häufigkeit in sozial und finanziell benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Eine Adipositas liegt vor, wenn der Body-Mass-Index mindestens 30 ist. Sie kennzeichnet somit einen gewissen Schweregrad von Übergewicht.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte bereits im Jahre 2000 die Adipositas als Krankheit definiert. Das Europäische Parlament forderte in einer Resolution von 2006 alle Mitgliedsstaaten auf, die Adipositas als eigenständige Krankheit anzuerkennen.
In Deutschland wurde die Adipositas als eigenständige Krankheit im Juli 2020 vom Deutschen Bundestag anerkannt. Die Anerkennung der Adipositas als eigenständige Erkrankung führte dazu, dass die Kosten für eine Adipositas-Behandlung häufig von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Somit hat sich die Versorgung der Betroffenen in Deutschland nachhaltig verbessert.

Ursachen und Folgen von Adipositas
Das Vorurteil, dass adipöse Menschen an ihrem Übergewicht selbst schuld seien, ist falsch. Von nicht wenigen Menschen werden fälschlicherweise Übergewicht und Adipositas als Ausdruck körperlicher Passivität und gestörtem Essverhalten angesehen.

Allgemein sind das Übergewicht und die Adipositas die Folge eines Ungleichgewichts zwischen Energieaufnahme und Energieverbrauch. Überschüssig aufgenommene Kalorien werden vom Körper als Fett gespeichert. Das Körpergewicht wird größtenteils genetisch beeinflusst, nur ein geringerer Teil unterliegt Umwelteinflüssen.

Es gibt jedoch mehrere Faktoren, die zu einer Gewichtszunahme führen können. Man kennt heute Gendefekte, die zu einem fehlenden Sättigungsgefühl oder einer gestörten Nahrungsverwertung des Körpers führen. Wenn Menschen bereits in ihrer Kindheit gelernt haben, auf Stress mit Essen zu reagieren, dann ist dies später der einzige Weg für das Belohnungszentrum im Gehirn, Anspannung abzubauen. Essstörungen bei Erwachsenen mit unkontrolliertem Sättigungsgefühl und Heißhungerattacken können zu einer Adipositas führen. Des Weiteren haben hormonelle und körperliche Erkrankungen nicht selten eine Gewichtszunahme zur Folge. So können eine unbehandelte Schilddrüsenunterfunktion, ein polyzystisches Ovarialsyndrom bei Frauen oder ein Testosteronmangel bei Männern zu Übergewicht führen. Erkrankungen wie schmerzhafter Gelenkverschleiß, chronische Rückenschmerzen oder Lähmungen, die mit einer Immobilisation einhergehen, führen zu einer geringeren Bewegung und schließlich zu einer Gewichtszunahme. Die meisten Raucher legen nach einem Rauchstopp an Körpergewicht zu. Schließlich gibt es nicht wenige Medikamente, die zu einer Gewichtszunahme führen. Hierzu zählen zum Beispiel Insulin, Kortison oder Antidepressiva.

Übergewichtiger Mann
Foto: pexels

Patienten mit einer Adipositas leiden nicht selten an Folgeerkrankungen. Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 oder Gicht, Herz-Kreislauferkrankungen wir Bluthochdruck, Herzinfarkt, Vorhofflimmern oder Schlaganfall sowie einzelne Krebserkrankungen zählen dazu. Auch Lungenerkrankungen, Gelenkverschleiß, Unfruchtbarkeit und Gallensteinleiden können Folge der Adipositas sein.

Die Adipositas hat auch Einfluss auf die Lebenserwartung und Sterblichkeit. Das Risiko, an der Adipositas und deren Folgeerkrankungen zu versterben, steigt mit der Zunahme des BMI. Die Lebenserwartung mit einem BMI zwischen 40–45 ist um acht bis zehn Jahre reduziert. Dieser Effekt entspricht ungefähr dem Einfluss von Rauchen. Die Gesundheitskosten für die Gesellschaft in Deutschland durch Adipositas-assoziierte Erkrankungen – wie beispielsweise Diabetes mellitus Typ 2 – sind sehr hoch. Dies verdeutlicht die Dringlichkeit einer effektiven Behandlung sowie verbesserten Sekundärprävention.

Betroffene mit Übergewicht und Adipositas leiden häufig unter Stigmatisierung und Diskriminierungen. Zudem sind sie einem großen psychosozialen Druck ausgesetzt, denn in verschiedenen Medien wird das Schönheitsideal eines schlanken Körpers vermittelt. All dies führt bei den Betroffenen zu negativen Folgen für den Selbstwert und für das Körperbild.

Therapiemöglichkeiten und Erfolgsaussichten auf mehr Lebensqualität
Es gibt eine Vielzahl von Therapien, die unterschiedlichen Grundsätzen folgen. Das Therapieziel ist die Gewichtsreduktion.
Zum Basisprogramm einer jeden Adipositas-Behandlung gehören die Ernährungstherapie mit Nahrungsumstellung und Kalorienreduktion, die Bewegungstherapie mit Steigerung der körperlichen Aktivitäten und die Verhaltenstherapie mit Änderung des Verhaltens. Wenn sich nach einer Umstellung auf einen gesünderen Lebensstil kein Erfolg einstellt, kommt eine medikamentöse Therapie in Betracht. Ein großes Problem ist, dass diätetische und verhaltensmedizinische Programme nur bei sehr wenigen Betroffenen nachhaltig wirken (Jo-Jo-Effekt).

Ab einem gewissen Stadium (BMI 40) ist auch organisch ein „Point of no Return“ erreicht, ab dem ein Abnehmen durch Diäten, Sport oder Psychotherapie nicht mehr – oder allenfalls kurzfristig möglich ist.

Diesen Patienten kann durch eine sogenannte bariatrische Operation zur Gewichtsreduktion gut geholfen werden. Man unterscheidet zwischen einem adipositaschirurgischen Eingriff, bei dem die Gewichtsreduktion im Mittelpunkt steht und einem metabolischen Eingriff, bei dem die Verbesserung der diabetischen Stoffwechsellage im Mittelpunkt steht.

Durch die Therapieansätze und Behandlungsmöglichkeiten bei Adipositas kann nicht nur eine deutliche Gewichtsreduktion erreicht werden, sondern können auch die Folgeerkrankungen positiv beeinflusst werden. Heilung dieser Folgeerkrankungen ist in der Regel nicht mehr möglich.
Aber wenn zum Beispiel bei Patienten mit Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2 keine Spritzen oder Tabletten mehr notwendig sind, ist den Betroffenen sehr gut geholfen. Insgesamt ist ein enormer Gewinn an Lebensqualität zu verzeichnen. Dr. med. Martin Wernicke

Expertenkontakt:

Klinikum Bad Salzungen GmbH
Dr. med. Martin Wernicke
Chefarzt der Klinik für Innere Medizin I

Telefon Sekretariat: 03695/64-6501

Dr. medic. Bogdan Tarcea Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Leiter des Adipositaszentrums (DGAV-zertifiziert)

Klinikum Bad Salzungen GmbH
Dr. medic. Bogdan Tarcea
Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie
Leiter des Adipositaszentrums (DGAV-zertifiziert)

Anmeldung Adipositassprechstunde: 03695 / 64-4491

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