Gute Gründe für einen Unkrautgarten.

Klatschmohn statt Geranie, Blutweiderich statt Begonie: Auf Katharina Heubergers Balkon wachsen hauptsächlich Pflanzen, die es im Gartencenter nicht zu kaufen gibt. In Kübeln und Kästen gedeihen Kamille, Kornblumen, Nelken-Leimkraut und Saat-Wucherblume, Wilde Möhre, Gewöhnlicher Natternkopf und Wiesen-Salbei. Alles Pflanzen, die wir als Unkraut bezeichnen.

Derzeit versucht die Bloggerin und Buchautorin mit Wald-Geißblatt die Hauswand noch grüner zu machen, ergänzend zur ebenfalls kletternden Alpen-Waldrebe. „Ich liebe mein Unkraut und pflanze oder säe es absichtlich“, sagt Heuberger.

Auch im Garten von Elke Schwarzer findet sich so manches, was sonst eher ausgerupft wird. „Die Knoblauchsrauke hat sich irgendwann mal ein Herz gefasst und sämtliche Beete erobert. Das macht aber nichts, weil sie essbar ist und der Aurorafalter Eier an den Blüten ablegt“, sagt die Biologin und Buchautorin. Auch der Gundermann darf in Maßen bleiben – „weil er so würzig ist und die Hummeln ihn mögen“.
Ob üppig oder in Maßen, ob von selbst gekommen oder bewusst angesiedelt: Wildpflanzen erobern viele Gärten und Balkone. Das war schon immer so, wenn man der Natur ihren Lauf lässt. Doch jetzt dürfen diese Pflanzen immer häufiger auch bleiben.

Auf Blogs und in den sozialen Netzwerken wird stolz Wildwuchs präsentiert. Gartenratgeber mit Unkraut im Titel werden prämiert und zu Bestsellern – und das nicht, weil sie erklären, wie man es möglichst schnell loswird.

Und dann auch noch das: In England, der Wiege der Gartenkultur, ist das Wilde inzwischen anerkannt. Bei der RHS Flower Show Tatton Park 2021 zeichnete die Royal Horticultural Society (RHS) mit „Weed Thriller“ von Sunart Fields ein Beet aus, in dem unter anderem Jakobskreuzkraut, Ginster, Ampfer und Distel wuchsen.

„Wir ermutigen Gärtner und Gartenbauexperten, die natürliche Schönheit und Bedeutung aller Arten anzunehmen, einschließlich derjenigen, die üblicherweise als Unkraut angesehen werden“, heißt es auf der Website der Prämierten.

Nahrung für die Insekten - und für den Gärtner

Für den Sinneswandel hat Katharina Heuberger eine Erklärung: die 2017 veröffentlichte Krefelder Studie, die das Insektensterben über Jahrzehnte dokumentierte und viel öffentliche Aufmerksamkeit bekam. „Seitdem kann keiner mehr sagen, er hätte von dem leisen Sterben um uns herum nichts gewusst“, sagt die Bloggerin von „Wilder Meter“.

Sie sieht ihre Balkongestaltung als Öffentlichkeitsarbeit, politisches Engagement und Demonstration dafür, was auf gerade mal drei Quadratmetern im fünften Stock möglich ist: „146 Arten sind auf meinem Balkon nachgewiesen“.
Mal ganz abgesehen davon, dass die vermeintlichen Unkräuter auch ihren Gärtnern ganz schön viel zu bieten haben: Man kann sie essen. „Einige Unkräuter wie Gundermann und Vogelmiere schmecken so einmalig, dass sie von Garten-Gourmets entdeckt werden“, sagt Schwarzer, die den Blog „Günstig Gärtnern“ betreibt. „Außerdem ist an Unkraut praktisch, dass es einem nie ausgeht und man sich nicht um das frische Kraut für die Küche kümmern muss.“
Vieles zulassen, aber nicht alles dulden.

Viele Insekten lieben Pflanzen, die gemeinhin als Unkraut bezeichnet werden. Foto: Elke Schwarzer/dpa-tmn

Doch wie wird der eigene Garten wilder? „Eigentlich muss man sich darüber kaum Gedanken machen, denn das Unkraut sucht sich selbst seinen Platz“, so Schwarzer. „Die Brennnessel findet zielsicher die stickstoffhaltigen Stellen im Garten, der Giersch den feuchten Schatten.“ Und wenn es doch nicht klappen will: Spezialisierte Gärtnereien bieten Wildpflanzen vorgezogen oder als Saatgut an – lokal, auf Märkten und über Online-Shops.

Aber bei einigen Gewächsen empfiehlt die Pflanzenkennerin, dann doch klare Grenzen zu setzen. Dem Stinkenden Storchschnabel beispielsweise. „Bei der Zaunwinde bin sogar ich vorsichtig. Anfangs betört sie uns mit ihren wunderschönen weißen Trichterblüten, doch kann sie Stauden niederringen und treibt überall aus Ausläufern aus“, erzählt Schwarzer.

Auch vor Brombeeren warnt sie, insbesondere der Armenischen. „Sie können in kurzer Zeit alles zuwuchern, sind schmerzhaft zu entfernen und treiben aus den Wurzeln immer wieder aus.“

Doch nicht nur heilen kann der Gundermann, er ist ebenso ein leckeres Würzkraut, welches vielfältig in der Küche verwendet werden kann. Foto: Mascha Brichta/dpa-tmn

Sogar auf dem Balkon möglich

Viele der anderen Wildkräuter lassen sich sogar auf dem Balkon gut halten. Hier ist aber – wie bei allen Gewächsen – wichtig, dass Pflanzen, Standort und die Versorgung mit Wasser und Nährstoffen zusammenpassen.

Katharina Heuberger empfiehlt pollen- und nektarreiche Blumen sowie Stauden und Gräser, die Schmetterlingsraupen als Futter dienen. Ein Muss sind für sie Glockenblumen, da diese Pflanzengattung von vielen verschiedenen Wildbienen und anderen Insekten genutzt werden können.

Auch auf dem Balkon siedeln sich viele Wildpflanzen von selbst an. Zum Beispiel, wenn man Maulwurfserde zum Gärtnern verwendet. Auf diese Weise sind Persischer Klee, Acker-Gauchheil, Hirtentäschel und die Raue Gänsedistel auf Heubergers Balkon eingezogen.

„Der ökologische Wert einer Pflanze an einem bestimmten Balkon-Standort kann erst nach der Saison wirklich eingeschätzt werden“, sagt sie. „Selbst unscheinbare Blüten wie die der Gelben Resede können äußerst interessante Gäste wie die Reseden-Maskenbiene anlocken.“
Katharina Heuberger ist bewusst, dass man mit einem Garten oder Balkon mit Unkraut keine Arten retten kann.

„Aber man kann die Arten mit Pflanzen fördern, die auch im Siedlungsraum vorkommen.“ Auf diese Weise könnten Trittstein-Biotope entstehen, die mit anderen ökologisch nützlichen Flächen vernetzen. „Der Balkon oder der Garten ist der Ort, wo jeder tätig werden kann“, ist Heuberger überzeugt. dpa/tmn

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Tipp des Monats

Osteoporose vorbeugen: Bewegung macht die Knochen stabiler

Damit die Knochen stark bleiben, braucht es nicht nur eine Ernährung, in der ordentlich Calcium steckt. Warum auch Bewegung so wichtig ist.

Knochen müssen regelmäßig belastet werden, um stabil zu bleiben und weniger schnell zu brechen. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) hin. Belastung für die Knochen heißt: Bewegung.

Ob Fußballtraining, Joggen, Pilates oder Radfahren: Vor allem dann, wenn es sportlich wird, regt Bewegung den Knochenstoffwechsel an.

„Dies geschieht durch die Muskeln, die am Knochen ziehen. Sie geben das Signal, mehr Calcium in das Skelettsystem zu transportieren und einzulagern“, so Prof. Uwe Maus von der DGOU. Dadurch gewinnen die Knochen an Stabilität – und auch Osteoporose wird vorgebeugt.

Auch die Ernährung zahlt auf die Knochenstärke ein

Besonders wichtig ist Sport übrigens für Kinder und Jugendliche. Denn bei ihnen baut sich die Knochenmasse noch auf.

Ganz ohne die Ernährung geht es aber nicht. Wichtig ist daher, reichlich Calcium zu sich zu nehmen – etwa durch Lebensmittel wie Milch, Hartkäse, Mineralwasser oder Spinat. Damit der Körper das gut verwerten kann, braucht es Vitamin D. Das bildet der Körper mithilfe von Sonnenlicht, es steckt aber auch in fettem Seefisch wie Hering oder Lachs.